incl. Spiegel
vgl auch → Hofnarr, Kabarettist / Kabarettistin, Kritiker / Kritikerin, Moralist / Moralistin, Satire, tadeln,
umkehren, vorhalten, zeigen, zurückgeben;
≠ verbergen
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Ich raffe mich auf
(Einem Freund zum Dreißigsten gewidmet)
1
Der Nachttopf klirrt. Ich bin entschlossen!
Der Doornkaat hat mich umgestimmt.
Wenn jetzt auch alles in der Stube schwimmt,
ist doch noch lang kein Blut vergossen.
2
Der Spiegel kracht. Was will das heißen?
Was er uns spiegelt, ist verkehrt.
Ritz-Ratsch – ich muß mein Federbett zerreißen.
Denn Eigentum ist Dreck, der nur beschwert.
3
Hei, Wind gemacht! Die Federn stieben.
Den deutschen Seemann schreckt der Seesturm nicht.
Er denkt, den Tod vor Augen, seiner Lieben. –
Ach was – Quatsch: Lieben –. Bums! ein Schrank
zerbricht.
4
Der Schrank ist mein, und ich bin frei.
Und wenn er mir auch nicht gehörte – –
Wie wär's, wenn ich das Fenster mal zerstörte?
Päng! – schlitterkläng – – Es ist entzwei!
5
Plautz – liegt mein Ofen. Er wog tausend Kilos.
Wo ist mein Frack? – Ich habe Blut geleckt. –
Zu lange war ich schwach und energielos.
Dein Doornkaat, Rosie, hat mein Blut geweckt.
(Joachim RINGELNATZ; EA in:
Simplicissimus, 31. Jahrgangg (1926/27), Nummer 1
(5.4.1926), Seite 11)
Joachim RINGELNATZ
(*7.8.1883 Wurzen-L als Hans Bötticher;
†17.11.1934 Berlin-B angeblich durch
Tbc)
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Halte niemandem die Fehler vor,
die er bereits kennt.
(artur: Aphorismen eines Einsiedlers 1, 1997, Nr 9)
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Nur Tote und Blinde brauchten
keinen Spiegel mehr.
(artur: Aphorismen eines Einsiedlers 1, 1997, Nr 19)
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Warum schauen Esel
nie in den Spiegel?
(artur: Aphorismen eines Einsiedlers 1, 1997, Nr 161)
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Er wollte ein wahrheitsgetreuer Spiegel
für allen Schmutz unter den Menschen sein
und wurde dadurch selbst nicht sauberer.
(artur: Aphorismen eines Einsiedlers 1, 1997, Nr 246)
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Über Ludwig Thoma:
Er hielt seinen Lesern den Spiegel vor,
doch diese sahen darin nur die andern;
und bald verstaubte der Spiegel und –
wurde vergessen.
(artur: Aphorismen eines Einsiedlers 1, 1997, Nr 599)
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Den Spiegel braucht der Mensch,
um sich zu gefallen.
Seine Fehler aber sieht er erst
an den anderen Menschen.
(artur: Aphorismen eines Einsiedlers 1, 1997, Nr 697)
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Diese Schriftentstellerinnen nannten sich
ebenso treffend Dichterin,
wie ein Scherbenhaufen
den Namen Spiegel verdient.
(artur: Aphorismen eines Einsiedlers 1, 1997, Nr 712)
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Wer einer Gesellschaft den Spiegel vorhält,
läuft Gefahr, Moden zu verfestigen.
(artur: Aphorismen eines Einsiedlers 1, 1997, Nr 849)
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Ein Moralist ist ein Mensch,
der seinen Spiegel andern vorhält,
damit er sich nicht selbst besehen muß.
(artur: Aphorismen eines Einsiedlers 1, 1997, Nr 910)
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