belachen

vgl auch  → abfällig,  Elitast / Elitastin,  herabblicken,  hinabblicken,  lachen,  lächeln,  spotten,  stolz,  übersehen,  verachten,  verspotten

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Abendlied
1
Der Mond ist aufgegangen,
die gold’nen Sternlein prangen
am Himmel hell und klar.
Der Wald steht schwarz und schweiget,
und aus den Wiesen steiget
der weiße Nebel wunderbar.
2
Wie ist die Welt so stille
und in der Dämm’rung Hülle
so traulich und so hold!
Als eine stille Kammer,
wo ihr des Tages Jammer
verschlafen und vergessen sollt.
3
Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen
und ist doch rund und schön!
So sind wohl manche Sachen,
die wir getrost belachen,
weil unsre Augen sie nicht seh’n.
4
Wir stolze Menschenkinder
sind eitel arme Sünder
und wissen gar nicht viel;
wir spinnen Luftgespinste
und suchen viele Künste
und kommen weiter von dem Ziel.
5
Gott, laß uns dein Heil schauen,
auf nichts Vergänglich’s trauen,
nicht Eitelkeit uns freu’n!
Laß uns einfältig werden
und vor dir hier auf Erden
wie Kinder fromm und fröhlich sein!
6
Wollst endlich sonder Grämen
aus dieser Welt uns nehmen
durch einen sanften Tod!
Und, wenn du uns genommen,
laß uns in’ Himmel kommen,
du, unser HERR und unser Gott!

{1778: Du lieber treuer frommer Gott!}

7
So legt euch, Schwestern, {1} Brüder,
in Gottes Namen nieder;
kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott, mit Strafen,
und laß uns ruhig schlafen –
und unsern kranken Nachbarn { 2} auch!

{Original:
{1}  denn, ihr
{2}  Nachbar}

D: Matthias CLAUDIUS

(*15.8.1740 Reinfeld (Holstein)-OD;
21.1.1815 Hamburg-HH, Jungfernstieg),

*1776c;

EA 1778 im: Musen Almanach für 1779,

herausgegeben von Johann Heinrich Voß, (Verlag Carl Ernst Bohn) Hamburg,

Seiten 184-186

{https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10122310?page=228,229}

{https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10122310?page=230,231},

leicht verändert bei der Zeichensetzung
und in Strophe 6, Vers 6:
Matthias CLAUDIUS:
ASMUS omnia sua SECUM portans, oder Sämmtliche Werke des Wandsbecker Bothen,
4. Teil. (Selbstverlag Matthias Claudius), Hamburg-Wandsbek 1774 [recte 1783],
Seiten 57-58
{https://de.wikipedia.org/wiki/Abendlied_(Matthias_Claudius)}

K: Johann Abraham Peter SCHULZ,

(*31.3.1747 Lüneburg-LG;
10.6.1800 Schwedt-UM),
EA 1790 in dessen
Lieder im Volkston, bey dem Klavier zu singen, Teil 3,
2. Auflage,
(Verlag Heinrich August Rottmann), Berlin-B,
Nummer 51
I: Dem SprücheQouz ist zur Zeit
kein frei zugänglicher Vortrag
aller 7 Strophen bekannt,
der bescheiden auf künstliche Zusätze verzichtet
und bei dem das Herz warm wird.
                                         

             
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Im Herbst

1
Es tät’ ein Bäumchen stehen
in schönster Frühlingszier,
und zarte Düfte wehen
zu Menschen, Pflanz’ und Tier.
Doch niemand mocht’ es achten
denn nur ein Mückenschwarm;
die Menschen es belachten,
die Blüte welkt vor Harm.
2
Und viele Tage gehen
dahin im Jahresstreif,
stolz kann das Bäumchen sehen
auf Früchte, die jetzt reif.
Die wollt’ es gern verschenken
und wirft sie alle ab;
doch niemand will’s bedenken
und beuget sich herab.
3
Dem Bäumchen hilft kein Flehen,
schon spät ist Herbsteszeit,
und seine Blätter wehen
rings in die Lande weit.
Und mancher tät’ sie wenden,
und mancher tritt sie klein;
da müssen sie verenden
und wohl vergebens sein.
4
Bald Winterstürme wehen,
die Axt, sie nahet schon,
das tät’ das Bäumchen sehen
und raunt mit leisem Ton:
„Ihr mögt den Stamm nur fällen,
doch baut ein Boot daraus;
tragt’s an des Stromes Wellen
und fahrt zum Quell nach Haus.
(artur: Aphorismen eines Einsiedlers 1, 1997, Nr 1000)

               

           

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