Selbstgeständnis
Ich bin meiner Mutter einzig’ Kind,
und weil die andern ausblieben sind,
was weiß ich wieviel, die sechs oder sieben,
ist* eben alles an mir hängenblieben;
ich hab’ müssen die Liebe, die Treue, die Güte
für ein ganz halb Dutzend allein aufessen,
ich will's mein Lebtag nicht vergessen.
Es hätte mir aber noch wohl mögen frommen,
hätt’ ich nur auch Schläg’ für sechse bekommen.
(Eduard MÖRIKE; *1837; EA 1838 in: Gedichte, 1. Aufl., S. 222)
{* noch in den ersten beiden Auflagen, 1838 und 1848, am Versanfang mit „so ist“;
in der 4. Auflage, 1867, und in den gesammelten Schriften, 1878, ohne „so“,
was der Verslänge besser entspräche, wenn sich der Dichter in diesem Gedicht
um Verskongruenz bemüht hätte.
Angeblich hatte Eduard Mörike 12 Geschwister.}
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Mutterliebe
1.
Wenn du noch eine Mutter hast,
so danke Gott und sei zufrieden;
nicht jedem auf der Erde Rund
ist dieses hohe Glück beschieden.
2.
Wenn du noch eine Mutter hast,
so sollst du sie in Liebe pflegen,
daß sie dereinst ihr müdes Haupt
in Frieden kann zur Ruhe legen.
3.
Denn was du bist, bist du durch sie;
sie ist dein Sein, sie ist dein Werden,
sie ist dein allerhöchstes Gut,
sie ist dein größter Schatz auf Erden.
4.
Des Vaters Wort ist ernst und streng,
die Mutter mildert’s wieder.
Des Vaters Segen baut das Haus,
der Fluch der Mutter reißt es nieder.
5.
Sie hat von ersten Tage an
für dich gelebt mit bangem* Sorgen;
sie brachte abends dich zur Ruh’
und weckte küssend dich am Morgen.
6.
Und warst du krank, sie pflegte dein,
den sie im tiefsten Schmerz geboren;
und gaben alle dich schon auf,
die Mutter gab dich nie verloren.
7.
Sie lehrte dich den frommen Spruch,
sie lehrte dich zuerst das Reden;
sie faltete die Hände dein
und lehrte dich zum Vater beten.
8.
Sie lenkte deinen Kindersinn,
sie wachte über deine Jugend;
der Mutter danke es allein,
wenn du noch gehst den Pfad der Tugend.
9.
Wie oft hat nicht die treue Hand
auf deinem Lockenhaupt gelegen;
wie oft hat nicht ihr frommes Herz
für dich gefleht um Gottes Segen.
10.
Und hättest du die Lieb' verkannt,
belohnt mit Undank ihre Treue:
Das Mutterherz verzieh dir stets,
umfaßt' mit Liebe dich aufs neue.
11.
Und hast du keine Mutter mehr
und kannst du sie nicht mehr beglücken,
so kannst du doch ihr frühes Grab
mit frischen Blumenkränzen schmücken.
12.
Ein Muttergrab, ein heil’ges Grab,
für dich der Sehnsucht teure Stätte;
oh, flüchte dich an diesen Ort,
wenn je dich beugt der Trübsal Kette!
(Friedrich Wilhelm KAULISCH, *1851, EA 1866;
da das Original im Internet zur Zeit nicht verfügbar ist,
wurden die bearbeiteten heutigen Druckfehlerversionen
korrigiert mit Hilfe von: Karl MAY: Das Buch der Liebe,
(F. L. Müchmeyer) Dresden 1876, S. 95-102,
* dort: bangen Sorgen)
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Mutterns Hände
1.
Hast uns Stulln jeschnitten
un Kaffe jekocht
un de Töppe rübajeschohm –
un jewischt und jenäht
un jemacht und jedreht ...
alles mit deine Hände.
2.
Hast de Milch zujedeckt,
uns Bobongs zujesteckt
un Zeitungen ausjetragen –
hast die Hemden jezählt
und Kartoffeln jeschält ...
alles mit deine Hände.
3.
Hast uns manches Mal
bei jroßen Schkandal
auch 'n Katzenkopp jejeben.
Hast uns hochjebracht.
Wir wahn Sticker acht,
sechse sind noch am Leben ...
Alles mit deine Hände.
4.
Heiß warn se un kalt.
Nu sind se alt.
Nu bist du bald am Ende.
Da steh’n wa nu hier,
und denn komm wir bei dir
und streicheln deine Hände.
(Kurt TUCHOLSKY;
EA in: „Arbeiter Illustrierte Zeitung“, 8. Jg. (1929), Nr. 30 (28.7.1929 interpoliert), S. 8)
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I möcht amol wieder e Lausbue sei
{Ich möcht’ einmal wieder ein Lausbub sein}
(Text vermutlich von Werner VEIDT,
EA vermutlich (Bonz & Comp.) Stuttgart 1940;
vertont vermutlich von Werner KLEINE;
urheberrechtlich geschützt vermutlich bis 31.12.2062;
Angaben ohne Gewähr)
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