Überblick MamM 861 bis 880
861 Der Staub der Selbstgerechten
862 Ein Lobgesang
863 Der Zukunftsmaler
864 Lasset uns Feinde entmachen
865 Augenhöhen
866 Eine denkwürdige Brautwerbung
867 Götzin gibt es nicht?
868 Das hat dein Freund getan
869 Nachtmeister Stropp und der Fall Mäuseglocken {s81} (*24.3.2016)
870 Nur Blumen?
871 Prinzessin Angelisa
872 Mausilene und Elifander
873 Jedem sein Damaskus
874 Lobpreis
875 Abschiedsfreuden
876 Peter und die beiden Feen
877 Wenn ich Glück hätte
878 Nachtmeister Stropp und der Fall Krammetino {s82} (*3.6.2016)
879 Mit einem freudigen Geist rüste mich aus
880 Heulen und Zähneklappen
MamM 869 Nachtmeister Stropp und der Fall Mäuseglocken
„Und laßt euch hier nie wieder blicken!“ rief Reineke den beiden Ziehenden
hinterher.
„Undank ist der Herren Lohn!“ murmelte Frau Struppe
zähneknirschend, ehe sie ihr Bündel schulterte und ihrem Gatten folgte.
Der war vergnügter und rief sogar: „Gutes für ungut, Herr Friedensrichter! Vielleicht kommt mal eine Teuerung
in das Land und wir können Euch mit ein paar Beeren aushelfen. Scheut Euch nicht, dann bei uns vorzusprechen. Für Euch ist es ja nur ein Katzensprung.“
„Aber für uns eine Schinderei!“ schimpfte die Igelin.
„Und gefährlich!“
Da hatte sie recht. Eine Chaussee mußte überquert und der Ausläufer eines Berges erklommen werden; alles in ständiger Sorge, von selbsternannten Tierfreundinnen aufgegabelt und entführt zu werden. Aber es ging alles gut, und schließlich gelangte das Ehepaar ans Ziel: die wilden Gärten von Dortwehr.
Sicher − ein paar Nächte dauerte es schon, bis das Landhäuschen gezimmert und behaglich eingerichtet war, aber endlich war es soweit: Die Einweihung konnte gefeiert
werden.
Allein − Dortwehr liegt im schönen Hatzenland, und dort sind sie gegenüber Neuem und Neuen meist sehr zugeknöpft. Nicht aus Bosheit, sondern vermutlich aus Schüchternheit. Auch aus schlechten
Erfahrungen; denn mancher Krieg führte fremde Truppen durch das Land, und zurück blieben schlimme Verwüstungen. Oder ist doch was Wahres dran, daß die Hatzen nicht gut sehen und den Fremden gar nicht wahrnehmen? Es heißt sogar, sie führten den Maulwurf in ihrem Wappen, aber das ist wohl von solchen verbreitet worden, die selber keine scharfen Augen
haben.
Jedenfalls feierten unser Stropp und seine Eheliebste die Einweihung ohne Gäste und Geschenke. Gut − sie hätten ihren neuen Friedensrichter einladen können, aber das war Verwandtschaft von Reineke. Und die letzten Erfahrungen mit diesem waren nicht dazu angetan, unseren Igel in neue Dienste treten zu lassen. Auch hatte er erst einmal anderes im Kopf.
Was? Na, über was denkst du nach, wenn du gerade umgezogen bist? Richtig! Du vergleichst, was alles besser geworden ist, und du überlegst, wie du es
dir noch schöner machen kannst.
„Das Essen ist hier abwechslungsreicher“, tauschte sich Frau Struppe bald mit ihrem Gatten aus, „aber zum Wasser ist es jetzt weiter.“
„Aber dafür brauchen wir hier keine Überschwemmungen zu befürchten“, hielt unser Stropp dagegen. „Und die
Musik ist hier vielfältiger und länger. Und jetzt schon Blumen!“
„Wo?“ war’s der Eheliebsten neu.
„Doch!“ bekräftigte der Gatte. „Ganz in der Nähe und in
großer Zahl. Wie heißen sie doch noch? − Ach ja, gestern hat’s mir einer
von der Knabberzahn-Sippschaft noch gesagt: Mäuseglocken.“
„Mäuseglocken?“ rätselte die Igelin. „Was ist denn
das?“
„Das sind so etwa mannshohe Sträucher“, erläuterte unser Stropp, „die statt Beeren weiße Glocken tragen. Und
die werden von den Mäusen für die Winterzeit angepflanzt, wenn es sonst nicht viel Deckung gibt. Und wenn sich dann böses Raubgetier
anschleichen will, dann werden die Mäuse von diesen Glocken gewarnt.“
„Genial!“ lobte Frau Struppe. „Das hätte von dir stammen
können.“
„Nee, nee“, lachte unser Igel, „andere Väter haben auch kluge Söhne. Und Töchter! Und wenn ich wirklich so klug wäre, wie du es manchmal behauptest, dann hätte mich Reineke bestimmt nicht davongejagt.“
„Eben deshalb hat er’s getan!“ war sich die Igelin sicher. „Du bist ihm zu klug und zu unerschrocken! Und wie ich meinen Mann kenne, wird er
schon bald seinen nächsten Fall −“
„Fall − Das ist das Stichwort!“ half es unserem Scharfsinnigen auf die Sprünge. „Jener Wandersmann, den
wir am Kirchweg so lange vermißt haben, ist wieder aufgetaucht. Da vorne geht er hin und wieder entlang. Aber nicht, wenn es frisch geregnet hat. Denn da ist der Weg so glitschig, daß er
sich sogar dahergelegt hat. Und das bergauf!“
Ja, einem langgedienten Nachtmeister entgeht nichts, und auf seine Runden kann er selbst dann nicht verzichten, wenn er vor die Tür gesetzt wurde. Von seinem Dienstherren! Nicht von seiner Gattin.
Die öffnete ihm sogar eines Morgens die Tür und fragte besorgt: „Was war denn heute nacht los? Ein Trampeln und Knacken, sogar Trompeten; das war ja fast zum Fürchten!“
„Schwarzkittel“, hatte unser Nachtmeister pD, also privater Dienste, gleich die richtige Antwort parat. „Die
haben da drüben alles aufgewühlt und sogar die schönen Mäuseglocken aufgefressen, die dort standen. Ich werde mir sie in der nächsten
Nacht gleich mal vorknöpfen.“
„Stropp!“ besorgte sich die Eheliebste sehr und machte von ihrer Befehlsgewalt Gebrauch. „Das wirst du nicht tun! Willst du mich zur Witwe machen?“
„Ja“, nahm unser Igel kein Blatt vor den Mund, „wenn wir nicht zur gleichen Zeit sterben können. Dich zu
überleben, nein, das −“
„Aber es muß gewiß noch nicht jetzt sein“, hielt Frau Struppe ihren Feldfrauenstab tapfer in ihrer Pfote. „Du
legst dich nicht mit den Wildschweinen an! Denk dran: Hier hast du keine Amtsgewalt.“
„Aber meine Bürgerpflichten“, begehrte der Gatte weiterhin auf, „und die lassen mich nicht einfach wegschauen und die Schnauze halten. Mäuseglocken zu pflücken und zu fressen, das gehört sich einfach nicht! Jedenfalls
nicht jetzt!“
Dann machte er es wie alle Ehemänner, wenn sie das letzte Wort behalten wollen: Er gähnte laut, legte sich aufs Ohr und begann zu schnarchen. Und am Abend hatte er sich aus dem Haselstaub gemacht, noch ehe ihm Frau Struppe ihre Ermahnungen und
Verbote hatte mit auf den Weg geben können.
Die Bande aufzuspüren, das war für unseren Igel ein Kinderspiel.
„Im Namen des Gesetzes“, trat er dem riesigen Anführer unerschrocken entgegen, „ich möchte Sie daran erinnern, daß es bei Strafe verboten ist, Mäuseglocken zu pflücken,
zu mißhandeln oder sonst an der Gesundheit zu −“
„Was willst du denn, Wurm?“ höhnte der Hauptmann. „Soll
ich dich mit meinen Gewehren niedermachen?“
„Das hätte er nur versuchen mögen“ erzählte unser tapferer Gesetzeshüter am Morgen zu Hause, „dann wär’ ich ihm auf den Nacken
geklettert. Aber seine Kinderchen sind mir dankenswerterweise zur Seite gesprungen und haben auf ihn eingeredet. Und bei mir haben sie sich sogar entschuldigt und versichert, es werde nie mehr vorkommen. Denn sie hätten eigentlich nur in die Eichelmast gehen −“
„Ihnen hat gewiß dein Mut imponiert“, urteilte die Eheliebste. „Von deinem Ungehorsam haben sie ja nichts
−“
„Und stell dir vor“, beeilte sich unser Stropp, „ich bin fast wieder zurück, was seh’ ich da? Die
Mäuseglocken! Anscheinend war ich gestern derart im Zorn, daß ich die Schwarzkittel zu Unrecht verdächtigt habe.“
„Na ja“, wollte sich die Igelin ihren Gatten nicht abwerten lassen, „die Ermahnung ist gewiß nicht vergeblich gewesen. Das nächste Mal aber hörst du auf deine Gattin, verstanden?“
„Joa“, verschob’s unser Igel auf das nächste Mal.
© Stiftung Stückwerken, *24.3.2016, freigegeben am 26.9.2024
Qouz-Note: 3
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MamM 878 Nachtmeister Stropp und der Fall Krammetino
„Im grünen Wald,
dort, wo Frau Struppe singt,
Struppe singt,
und dir schon bald −“
Der Sänger hielt abrupt inne. „Ach so, ja, Drossel muß es eigentlich heißen. Aber wenn die nicht singt, hat eben meine − Heda, aufgestanden! Es ist schon
früh am Morgen! Aufstehen, Herr Krammet, Ihr Konzert ruft, jedenfalls Ihre Lieb− Nanu, so
was kenn’ ich von Ihnen gar nicht. Und dann hier mitten auf dem Weg. Wohl
gestern zu tief ins Glas − Langsam wird mir das hier richtig unheimlich. Gebt endlich Antwort, −!“
„Der ist doch tot“, urteilte eine heisere Stimme.
„Der Friedensrichter!“ hätte unser Sänger erschrecken müssen, wenn er für Furcht anfällig gewesen wäre. So aber begann er sogleich sein Verhör: „Was führt Euch denn hierher?“
„Ja, Stropp, da freust du dich, was?“ schien sich
Reineke selber etwas vorzumachen. „Amtsgeschäfte, lieber Stropp,
Amtsgeschäfte! Sein Vorgesetzter ist ja auf Erholungsreise, und da hab’ ich mich gerne bereit erklärt, seine Vertretung zu
übernehmen. Zumal es hier einen so trefflichen Nachtmeister gibt, auf den ich mich völligst verlassen kann. Hahaha! Wir kennen uns!
Immer noch der Alte, was? Immer noch seine Dienstzeit mit Nebensächlichkeiten vertrödeln? Was? Wie?“
„Wieso Nebensächlichkeiten?“ sah es unser Nachtmeister anders. „Hier kommt ein Musikus nicht seinen Pflichten nach. Das muß untersucht
werden!“
„Na und? Wen kümmert’s?“ Den Fuchs jedenfalls
nicht. „Und schön singen die bestimmt nicht.“
„Aber im Orchester hat jedes Instrument seinen Platz und Sinn“, hielt unser Igel dagegen. „Und
außerdem−“
„− mengst du dich viel zu oft in Dinge“, ergänzte der Friedensrichter, „die dich nichts angehen. Das war schon
drüben am Kirchweg so, und deshalb hab’ ich dich ja auch −“
„− gehen lassen müssen“, ergänzte eine 3. Stimme. „Weil mein Stropp immer noch jedes Verbrechen aufgedeckt hat
und du dabei oft gar nicht gut −“
„Wie redet Sie überhaupt mit mir?“ empörte sich Reineke.
„Wo bleibt der schuldige Respekt, Frau Struppe?“
„Schuldige?“ lachte die Angeredete. „Wem Gewalt vor
Recht geht, dem gebührt mein −“
„Das Recht des Stärkeren“, lachte der Fuchs höhnisch. „Darauf ist Sie wohl neidisch, was?“
„Meine Frau ist nicht neidisch!“ war des Igels Beschützerinstinkt geweckt. „In unserer Ehe gilt kein anderes −“
„Stropp!“ warnte die Igelin. „Überleg vorher, ehe du
etwas −“
„Hahaha!“ freute sich Reineke. „Stropp ist ein
Pantoffelheld! Hahaha!“
„Du verspottest meinen Mann?“ fragte Frau Struppe drohend. „Dem kannst du nicht mal das Wasser −“
„Hat jemand meinen kleinen Krammetino gesehen?“ forschte
plötzlich eine 4. Stimme.
„Krammetino?“ griff’s unser Stropp auf. „Ich dachte
eigentlich − Ja, er ist viel kleiner denn sein Vater. Ach, liebe Frau Krammet, es tut mir ja so leid, aber −“
„Da ist er ja!“ hatte die Wacholderdrossel bereits ihr Kind erspäht. „Krammetino! Nein!
Nein!“
Nun folgte eine herzzerreißende Szene, deren Wehklage von einer heftigen Anklage abgelöst wurde.
„Ich verlange die allergründlichste Untersuchung!“ forderte Frau Krammet. „Mein Sohn ist ermordet worden! Das sieht doch jeder auf den 1. Blick. Warum tut denn keiner was?“
„Aber es ist, eh“, verbesserte sich der Friedensrichter, „war doch nur ein Vogel −“
„Nur?“ geriet die Wacholderdrossel in Rage. „Ein
unschuldiges Kind! Gerade erst ein bißchen selbständig geworden, um den Eltern zum Flügel zu hüpfen. Ein vielversprechender Schatz seinen Eltern, seinen Geschwisterchen, der ganzen Vogelwelt. 100mal mehr wert denn du, du reuloser Sünder. Vielleicht hast gerade du ihn auf dem
−“
„Augenblick!“ versuchte unser Igel, die Wogen zu glätten. „Ich werde mich drum kümmern, Frau Krammet. Ich glaube nicht, daß Herr Reineke der
Täter ist. Das ist hier nicht seine Handschrift. Ich habe −“
„Will Er etwa damit sagen“, brauste der Verteidigte auf, „daß ich ähnlicher Verbrechen fähig −“
„Fragt nicht meinen Mann“, empfahl Frau Struppe, „sondern erkundigt Euch beim Mäusevolk.“
Immerhin war das in höflicherem Tone gesprochen, und − leugnen konnte es der Fuchs nicht: „Das ist etwas ganz anderes! Gut, dann soll der Nachtmeister bis morgen den Täter vorführen, anderenfalls werfe ich ihn euch zum Fraß vor.“
„Schönen Dank“, lehnte Frau Krammet ab. „Aber für uns beginnt jetzt wieder unsere vegetarische
Jahreszeit. Doch Genugtuung fordere ich! Der Täter muß so schnell wie
möglich dingfest gemacht werden, ehe er noch weitere Morde begeht!“
Damit schieden die 4 voneinander, das heißt, das Igelpaar tippelte natürlich gemeinsam heimwärts.
„Haste denn schon einen Verdacht?“ fragte die Eheliebste.
„Mach dir keine Sorgen“, bewirkte unser Nachtmeister eher das Gegenteil, „den Täter kriege ich schon!“
Aber erst einmal folgte auf die anstrengende Nachtschicht die verdiente Ruhe.
Erst nachdem die Sonne untergegangen war, tippelte ein Wandersmann, in den besten Jahren, los. Hätte er sich umgeschaut, dann hätte er vielleicht bemerkt, daß er heimlich verfolgt wurde. Aber anscheinend nahmen ihn seine Überlegungen viel zu sehr gefangen.
Was wäre, wenn − Nein, da kennst du unseren berühmten Nachtmeister schlecht. Der war sich seiner Sache
sicher. Am Tatort versteckte er sich hinter zurückgelassenem Birkenholz und – wartete. Und wartete. Und wartete.
Oder war er gar eingeschlafen?
„Im Namen des Gesetzes!“ rief er plötzlich aus und stellte sich jemandem in den Weg. „Ihr seid verhaftet! Und zwar unter dem dringenden Tatverdacht −“
„Dringend?“ fauchte es zurück. „Was willst du,
Knirps? Mach sofort den Weg frei, oder −“
„− Ihr macht es mit mir so“, ergänzte unser Stropp unerschrocken, „wie Ihr es mit dem armen Krammetino gemacht habt?“
„Und noch viel schlimmer!“ zahlte sich die Kaltblütigkeit unseres Helden auf der Stelle aus.
„Da haben wir ja schon Euer Geständnis!“ triumphierte er.
„Du Schuft, du!“ fauchte es zurück. „Da hast du deinen
− Au! Au!“
Der Täter sah sich plötzlich 2 Stachelkugeln gegenüber, die auch noch gute Zähne hatten.
„Und versuch ja nicht zu fliehen!“ warnte unser Igel.
„Bekanntlich sind wir schneller denn Meister Lampe! Und jetzt zum Friedensrichter!“
Aber da war dieser schon zur Stelle. Ein Freund von Katzen war er zwar nicht, aber unseren Helden zu loben,
das fiel ihm auch nicht ein. So blieb die Täterin auf freiem Fuß, unser Stropp wurde jedoch verwarnt, sich künftig auf das Wichtige zu
konzentrieren.
„Gerne!“ antwortete unser Igel und schaute dabei liebevoll seine Gemahlin an, die ihm so tapfer beigestanden
hatte; denn was konnte es für ihn Wichtigeres geben?
© Stiftung Stückwerken, *3.6.2016, freigegeben am 27.9.2024
Qouz-Note: 3
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