MamM – Mährchen an meine Mutter Nr 681 bis 700
Überblick MamM 681 bis 700
681 Wer hören will
682 Der Meisterblick
683 Meine Trau
684 Vergebliche Liebesmüh'
685 Salzmann
686 Wer rettet
687 Die Oasier
688 Nachtmeister Stropp und der Sonntagsmörder (*9.8.2012)
689 Nachtmeister Stropp und der Fall Zwietracht
690 Nachtmeister Stropp und der Fall Humano
691 Wie im Zoo
692 Die 3 Gnadengesuche
693 Was ein König muß
694 Kinderkram
695 Die sündlose Hölle
696 Ohne Schatten
697 Ein Trost
698 Geld oder Leben
699 Das Puzzle
700 Von außen oder von innen
MamM 688 Nachtmeister Stropp und der Sonntagsmörder
„Im Frühtau zu Tale
wir zieh’n, fallera,
geladen zum Ma-hah-le,
es schien, hopsassa.
Wir singen ohne Sorgen,
brauchen nichts zu borgen,
voll ist uns’re Schale
mit – eh –“
Der Sänger hielt sinnend inne.
„Quatsch!“ ergänzte einen heisere Stimme.
„Ihr eßt Quatsch, Herr Friedensrichter?“ wunderte sich der Sänger. „Ich dachte, –“
„Ja, ja, Stropp“, lohnte Reineke die Ehrerbietung schlecht,
„wenn du schon denkst, –“
„– dann bin ich“, lieh sich unser Nachtmeister ein philosophisches Zitat aus.
„– ein Quatschkopf!“ ließ der Fuchs den Igel eine unter Philosophen weit verbreitete Erfahrung machen. „Du trällerst hier deinen Blödsinn daher, während woanders die scheußlichsten Mordtaten begangen werden!“
„Habt Ihr wieder Mäusefleisch zum Frühstück –“
„Stropp!“ zürnte der Friedensrichter. „Wessen erdreistet
Er sich!“
„Ich?“ hüllte sich unser Stropp in Unschuld. „Ich hab’
doch niemanden beschuldigt. Habt Ihr etwa ein schlechtes –“
„Stropp!“ donnerte es lauter und gefährlicher. „Wenn du
nicht gleich still bist, dann – dann bist du auf der Stelle entlassen! Hör zu! Während du hier in deiner Dienstzeit lustwandelst, werden drüben in Dortwehr laufend Morde – eh, verübt. Sonntag für Sonntag, jawoll! An blutjungen, unschuldigen Mäusen, jawoll! Das ist ein Skandal! Ich muß auf der Stelle wissen, wer der Täter ist! Also, was hast du dazu zu sagen?“
Unser Nachtmeister schwieg.
„Ich hab dich was gefragt“, erinnerte der Fuchs.
Unser Nachtmeister schwieg.
„Los! Wird’s bald?“ drohte der Fuchs. „Oder ich – ich –“
„– und ich entlasse dich“, half unser Igel weiter. „Sage ich nämlich was, droht Ihr mir mit
Entlassung; sage ich nichts, droht Ihr mir –“
„Stropp!“ brüllte Reineke. „Du sollst nicht immer alles
wörtlich nehmen!“
„Ich nehm’s, wie’s gegeben wird“, rechtfertigte sich unser Nachtmeister. „Also, ich war’s nicht –“
„Was warst du nicht?“
„Ich hab’ die Mäuse nicht umgebracht“, übte unser Stropp Nachsicht. „Ihr selbst habt mir ja ein Alibi
ausgestellt –“
„Ich?“
„Ja“, bestätigte unser Igel. „Ich sei während der Tatzeit hier lustgewandelt. Allein – was haben wir eigentlich mit Dortwehr zu schaffen?“
„Viel“, seufzte der Friedensrichter, „meine Mäuse haben mir nämlich gedroht, auszuwandern, wenn ich die Morde nicht innerhalb von 3 Tagen, eh –“
„– aufkläre“, half unser Stropp weiter. „Wieso wird hier überhaupt von Morden gesprochen? Wurde der Täter gesehen? Denn wenn zum Beispiel ein Fuchs eine Maus frißt, dann
pflegt er von ihr nicht allzu viel übrig–“
„Stropp!“ zürnte der Fuchs. „Deine Verdächtigungen sind
an den Haaren –“
„Es war doch nur ein Beispiel“, versuchte unser Igel die Wogen zu glätten. „Also, wieso sprecht Ihr von
Mord?“
„Weil die Leichen eben nicht gefressen wurden“, antwortete Reineke. „Also kein Mundraub aus Hunger, sondern,
eh, blanker –“
„– Unsinn“, entfuhr es unserm Stropp.
„– heimtückischer Mord“, fuhr der Fuchs dieses Mal unbeirrt fort. „Und das Schlimme ist, ich – eh, mein Volk
muß durch solche Untaten leiden!“
„Sagtet Ihr nicht, es geschehe nur sonntags?“
„Ja, Sonntag für Sonntag liegt eine Leiche vor der Haustür der –“
„Folglich“, ließ unser Nachtmeister zu Hause seine Kombinationsgabe bewundern, „wird nur sonntags gemordet, oder der Täter frißt sein Opfer nur sonntags nicht –
Opfer? Ha, da kommt mir ein Verdacht –“
„Stropp, Stropp“ warnte die Eheliebste. „Wenn du dich nur nicht wieder in Gefahr begibst! Ich hab’ da so ein ungutes Gefühl! –“
„Mach dir doch nicht selber Sorgen!“ lachte unser Nachtmeister. „Ich bin schon vorsichtig genug!“
„Das kennen wir!“ seufzte Frau Struppe. „Siehste, was
sag’ ich? Von wegen vorsichtig! Da läufst du auch schon mit dem Kopf gegen
–“
„Weil ich eben hinten keine Augen habe“, rechtfertigte sich unser Stropp und rieb sich das berühmte Haupt, in dem schon so viele Geistesblitze gezündet hatten. „Jedenfalls muß ich schon heute abend rüber auf Dienstreise.“
„Aber es ist doch noch kein Sonntag –“
„Tscha“, unser Nachtmeister zuckte die Schultern, „Reinekes Mäuse haben jedoch ein Ultimatum gesetzt. Außerdem
achte ich; Der Täter fällt nicht jeden Sonntag vom Himmel.“
Und so sehen wir bei Sonnenuntergang unseren Igel auf dem Weg nach Dortwehr. Gut, daß Hochsommer ist! Doch so, wie unter Menschen nichts vollkommen ist, gibt es
auch im Tierreich manche Tücke des Objekts. Und so jagten die Heupferde in einem Tempo
dahin, daß unser Stropp stets auf der Hut sein mußte, nicht aus dem Wagen geworfen zu werden.
Heil, aber mit blanken Nerven langte unser Igel endlich an. Wo? Na, am Tatort! Und in dessen Nähe zog er nun Runde für Runde. Obwohl – ob’s der Tatort wirklich war, wußte unser Igel nicht; es war eigentlich nur
der Fundort der Leichen.
„He, Kleiner, suchst du was Bestimmtes?“ wurde er endlich angesprochen.
Unser Nachtmeister blickte auf und sah in 2 glühende Augen. „Ja“, gab er der Angst keinen Raum, „ich komme von
der Kirche und wollte Mäuse kaufen –“
„Fang sie dir doch!“ spottete es unter den funkelnden Augen.
„Die Kirche darf doch nicht morden“, erinnerte unser Stropp.
„– sondern überläßt die Drecksarbeit andern, was? Wie?“ fauchte es unter den glühenden Augen. „Reicht es nicht, wenn ich Sonntag für Sonntag
–“
„Im Namen des Gesetzes!“ donnerte unser Nachtmeister amtlich.
„Schnüffler!“ fauchte es zurück. „Das soll dein letztes
–“
„Bs! Bs! Bs! Bs! Bs! Bs!“ kam es von der Stelle, wo unser Nachtmeister stand.
„Wespen? – Wo sollen hier nachts Wespen – Aah! Zu Hilfe! – Schnell fort von
hier!“
„Das war Hilfe in letzter Sekunde!“ lobte unser Stropp seine Eheliebste auf dem weiten Weg nach Hause. „Der Kater hätte mir gefährlich –“
„Ja“, lachte Frau Struppe, „wenn du mich nicht hättest, –“
„Hättest du mich auch nicht“, stimmte der Gatte mit ein. „Schade, daß wir den Täter laufenlassen mußten
–“
„Hauptsache“, brachte es die Igelin auf den Punkt, „Reinekes Mäuse wandern nicht aus; denn du hast ja den Fall
aufgeklärt. Und wolltest du jeden Verbrecher unschädlich machen, müßtest du wohl bei deinem Dienstvorgesetzten anfangen –“
© Stiftung Stückwerken, *9.8.2012, freigegeben am 20.6.2024
Qouz-Note: 3
***