3. Profil des Lenzingen-Gründers
Überblick:
3.1 Wurzeln der Kindheit
3.2 Wurzeln der Religion
3.3 Wurzeln der Ausbildung
3.4 Wurzeln der beruflichen Karriere
3.5 Rotlicht-Wurzeln
3.6 Wurzeln ehrenamtlicher Tätigkeit
3.7 Bisherige Angebote
3.8 Stärken und Schwächen
3.1 Wurzeln der Kindheit
Mein Kinderbett stand an der Grenze des Rheinlandes, getauft bin ich aber vermutlich mit Wasser aus Westfalen, so daß
wohl beides meine Mentalität geprägt hat.
Mit Recht kann ich mich ein Arbeiterkind nennen, bin in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen, und hatte dennoch eine glückliche Kindheit; bescheiden – c’est le mot juste. Meine
Eltern haben mir vieles vorgelebt, darunter auch Ausdauer, Hilfsbereitschaft und daß wir Hände und Füße haben, um sie auch zu gebrauchen.
Im Kindergarten habe ich gelernt, daß Wahrheit nicht von jedermann und zu jeder Zeit vertragen wird. Ich hatte
nämlich von meinen Elter erfahren, daß es weder Weihnachtsmann noch Osterhasen gäbe, und konnte diese neue Erkenntnis natürlich nicht für mich behalten. Aus meiner guten Absicht erntete ich jedoch lautstarken Protest und wurde wohl zum 1. Mal in meinem Kindergartenleben zur Buße in die Ecke
gestellt. Aus heutiger Sicht ein sehr wirksames Lehrgeld.
In dieser Zeit gewahrte ich auch, daß es neben den Kindern, die im Sandkasten eine Burg bauen, auch solche gibt, denen es eine Lust ist, die Werke anderer zu zerstören, –
als wären sie keine Kinder mehr, sondern schon „groß“. Anscheinend liegt bei ihnen eine schwere Erkrankung vor; denn schon der Verstand müßte ihnen sagen, daß es nicht glücklich macht, wenn es andern schlechtgeht.
Als ich auf die Volksschule kam, sollte ich gleich an die Hilfsschule weitergereicht werden, weil meine Zeichnungen zu expressionistisch seien. Wir sollten nämlich künstlerisch etwas aus unserem Familienalltag wiedergeben. Also
legte ich meinen Vater aufs Sofa, und das in sehr kleinem Maßstab. Viel größer geriet jedoch meine Baukasten-Baustelle auf dem Tisch,
da ich ihr eine größere Wichtigkeit beimaß. Die Lehrkräfte waren entsetzt, aber dann wurde ich trotzdem mehr als 3 Jahre auf der Volksschule geduldet und erlebte dort meine schönste Schulzeit. Als ich sie wieder
verließ, wurde mir empfohlen, Pfarrer oder Arzt zu werden. Zum Segen für meine Mitmenschen habe ich weder den einen noch den anderen
Beruf ergriffen.
Ich hatte in meiner Schulzeit gute Lehrer, die mich gefördert haben, aber auch solche, die mich behindert haben. Und es war eine Zeit, in der gute Noten noch nicht verschenkt wurden und eine 1 selten war.
Auch hier hatte ich Lehrgeld zu bezahlen, von dessen Früchten ich heute noch zehre. Ich hatte eine Geldbörse
gefunden und bei der Polizei abgegeben; Inhalt, soweit ich mich erinnere, unter 20 DM. Eines Mittags tauchten 2 Polizisten an unserer Haustür auf und jagten meiner Oma einen großen Schrecken ein: War mir etwas zugestoßen? Nein, ich sollte lediglich auf die Belobigungslaufbahn gesetzt werden. Tscha, einige
Tage später wurde ich dann in meiner Klasse von 2 Polizisten überrascht, nach vorne geholt und wie ein Verbrecher meinen Mitschülern vorgestellt: So sieht ein ehrlicher Finder aus! Was von den Polizeistrategen vermutlich gut gemeint war, traf dann aber – mich. Und
seit dieser Zeit weiß ich: Laß dich nie vor andern ehren, wenn du nicht Eifersucht nähren willst.
Und noch etwas geschah in dieser Zeit: Statt eine Glotze zu kaufen, besorgte uns meine Mutter einen Leseausweis bei der Stadtbücherei, was damals in meiner Heimatstadt
sogar noch kostenlos war; und ich drang ein in das Reich der Bücher: Karl MAY, Josephine SIEBE, Astrid LINDGREN, Hans PETERSSON, Knud
MEISTER. Also zunächst in das Reich der Romane. Über die Sachliteratur unserer Stadtbücherei drang ich
aber auch ein in das Reich der Dramen und hatte zuweilen bessere Sekundärliteratur zur Verfügung denn unser Deutschlehrer. Doch das
Reich der Lyrik blieb mir während meiner Schulzeit verschlossen, und EICHENDORFF-Gedichte nannte ich damals Kitsch. Ein Glück, daß Jugendliche nicht stehenbleiben, sondern Standpunkte und Ansichten mit der Zeit ändern!
Und wer keine Glotze hat, der hat viel mehr Zeit zum Radiohören und eine geschultere Phantasie: WDR-Schulfunk (Der Tierfreund; Neues aus
Waldhagen; Der Arzt spricht), Kinderhörspiele (Nachtwächter
Spinning im WDR; Immer dieser Fizzibitz als „Kölsche“ Pumuckl-Variante; Kasperle im NDR), NDR-Kinderbücherbesprechung mit Rose
Marie Schwerin, Allein gegen alle mit Hans Rosenthal, DLF-Schlagerderby mit Carl-Ludwig Wolff, die britischen und US-amerikanischen Charts im
deutschen BBC-Programm und auf BFBS, Vom Telephon zum Mikrophon im
SWF, Unterhaltung am Wochenende im WDR mit Insterburg & Co., Ein Abend für junge Hörer im NDR mit Dethard Fissen und Gerlach Fiedler. Damals gab es noch Radiosendungen zum Zuhören und nicht als Berieselung,
um den Straßenlärm während der Fahrt zu neutralisieren. Doch immer mehr kam ab den 70er Jahren
eine totalitäre Einstellung unter Redakteuren und Programmdirektoren an die „Macht“, die von Michael ENDE treffend charakterisiert wurde: Die wollen euch
Kinder zu etwas kriegen und euch den Zugang zum Reich der Phantasie verriegeln und verbauen. Und wie die Rundfunkanstalten heutzutage
ihrer einstigen Redakteurinnen und Moderatoren des Kinder- und Jugendfunks gedenken, zeugt nur davon, daß ihre Beileidsschreiben zu Trauerfällen geheuchelt waren und sie ein schlechtes Gewissen
haben. Leider verbietet mir das deutsche Urheberrecht, mit Tondokumenten zu belegen, was wir verloren haben.
Und wer keine Glotze hat, ist in seiner Zeiteinteilung freier und hat mehr Zeit, an der frischen Luft zu spielen: Leben aus 1. Hand.
3.2 Wurzeln der Religion
Ich bin von Kindesbeinen an Mitglied einer christlichen Kirche (NAK), die aber in meiner Heimatstadt (mit einem Anteil von nur etwa 5% der christlichen Einwohner) lange Zeit als Sekte ausgegrenzt und auch benachteiligt wurde. Für mich war meine Heimatgemeinde ein warmes Nest, in dem ich mich geborgen fühlte.
Ich fand dort Menschen, die glaubwürdig waren, weil sie für ihren Glauben berufliche, finanzielle und gesellschaftliche Nachteile in Kauf genommen hatten. Es gab sogar Herzlichkeit und Gottesdienste ohne Schauspielerei; und es gab Pfarrer,
die zuerst an ihre Gemeinde gedacht haben.
In meiner Jugendzeit erlebte diese Kirche ein Frühlingswunder und besann sich ihrer Stärken: Seelsorge und Liedgut. An meinem Studienort hätte ich mich Sonntag für Sonntag „durch die Gemeinde essen“ können, und ich fand Menschen, die für ihre Mitmenschen
Zeit hatten. Kranke wurden damals wöchentlich priesterlich betreut; und es
gab Gehilfen zur Freude, die diesen paulinischen Vorsatz gelebt haben.
Fiel dann ein Reif in diese Frühlingszeit? Wurde aus Philadelphia Laodizea? Nein, auch „früher“ war nicht alles vollkommen; auch „früher“ gab es
Gleichgültigkeit, Opportunismus, Heuchelei und Oberflächlichkeit, unchristliches Richten, Ausgrenzen und Wahn; aber damals dachte ich
noch, ich fände mindestens 7.000, die ihre Knie nicht gebeugt hätten vor dem Zeitgeist und ihn nicht geküßt.
In der Folgezeit wurden meine Wohlfühlgemeinde und dann auch meine Heimatgemeinde zerrüttet und zerstört. Ob die Beteiligten wußten, was sie da taten? Gott
sei ihnen so oder so dennoch gnädig; und ich glaube an einen barmherzigen Gott.
Deshalb bin ich auch nicht zu einem Kirchengegner geworden, sondern glaube: Kirche ist segensreich, wenn sie dient,
und zerstörend unchristlich, wenn sie herrschen will. Und nebenbei: Wer ist überhaupt „die Kirche“?
Somit lernte ich Menschen verstehen, die in ihrer Kirche fremd geworden sind und sie dennoch nicht verlassen haben – trotz der vielen „Kranken“ dort. Denn ich kann
mir noch immer nicht vorstellen, daß Heuchelei, Verleumdung, Opportunismus, der Gebrauch der eigenen Ellenbogen und Mobbing Ausdruck von Bosheit sind, sondern ich halte sie für Symptome für
unglücklich machende Seelenkrankheiten. Auch solchen will der liebe Gott helfen; sie sind also nicht schlechter als ich; nur haben sie bis dahin weniger Freude.
Und – sind die Gemeinschaften der Fortgegangenen etwa wärmer? Waren diese wirklich aus Nächstenliebe fortgegangen?
Ich lernte aber auch durch die Entwicklungen in meiner Kirche, über den „Tellerrand“ zu schauen. Auch in anderen Kirchen gibt es noch Menschen, die sich um ein
christliches Leben bemühen und denen die Wahrheit noch wichtig ist. Ja. ich lernte sogar Nicht-Christen und Atheisten kennen, die christlich leben und Nächstenliebe üben. Gerne bete
ich auch mit ihnen ein Vaterunser und denke daran, wie Jesus seine Schwestern und Brüder und seine Mutter charakterisiert hat (vgl Markus 3:35).
Und ich lernte, daß dem, der auf seine Mitmenschen hinabsieht, so viel Schönes entgeht. In den Kirchen wird gelehrt, Gott throne hoch über uns und
sehe auf die Menschen hinab; aber was ist, wenn er unter uns ist, uns sogar die Füße wäscht (vgl Johannes 13) und zu uns aufschaut? So ließe es
sich erklären, daß Gott alle Menschen kennt und dennoch liebhat.
Jedenfalls lebt noch immer mein „Imagine“:
Stell dir vor,
wir Menschen richten
uns aus nach der Bergpredigt
und nicht über unseren Nächsten.
Stell dir vor,
wir Menschen trachten nach der Wahrheit
und nicht nach Erkenntnis,
die uns überheblich macht.
Stell dir vor,
wir Menschen suchen in jedem etwas Gutes
und finden in ihm das,
wozu ihn Gott geschaffen hat
und liebhat.
Stell dir vor,
wir Menschen leben
in Harmonie mit Gottes Gaben
und teilen sie untereinander
wie jene 5 und 7 Brote.
Stell dir vor,
wir Menschen bekennen uns zu unseren Sünden,
weil jeder seinen Samariter braucht
und Herbergsvater
und unser Vater uns dennoch entgegenläuft.
Stell dir vor,
wir Menschen tragen einander
als Schwester und Bruder
und kommen nach Hause
in unser gemeinsames Elternhaus.
Ach so, mein Credo:
Unser Vater im Himmel!
{Nicht nur meiner allein, sondern aller Menschen.}
Dein Name werde geheiligt.
{Auch durch uns und unser ganzes Leben.}
Dein Reich komme.
{Bald. In uns mit deiner Liebe und wir für immer in dein Reich.}
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
{Für uns, auch wenn wir dich nicht verstehen.
Durch uns als Gefäße deiner Barmherzigkeit.}}
Unser täglich’ Brot gib uns heute.
{Und versorge auch meine Nächsten. Und uns alle immerdar.
Und hilf uns bitte, zu teilen und dabei deine Wunder zu erleben.}
Und vergib uns unsere Schuld,
wie {und daß} auch wir vergeben unseren Schuldigern.
{Nämlich alles und ganz.}
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
{Uns; also auch meine Nächsten
sowie auch von dem Bösen in mir selber.}
Denn dein ist das Reich
und {dein ist} die Kraft
{nicht unser, nicht unser Verdienst}
und {dein ist} die Herrlichkeit in Ewigkeit
{die du mit uns allen teilen möchtest}.
Danke schön.}
Amen.
Und worin unterscheide ich mich von mancher kirchlicher Lehre – genauer: in mancher Kirche herrschenden Lehre?
1. keine Gelübde
Sind Gelübde christlich? Das Gelübde, Menschen zu gehorchen? Ihnen mehr zu gehorchen? Daß es in kirchlichen Organisationen Weisungsgebundenheit gibt, deren Verletzen
Konsequenzen hat, kann ich nachvollziehen; aber welcher Mensch hat das Recht, geloben zu lassen, daß ihm mehr zu gehorchen sei denn der Wahrheit und dem Gewissen? – Gelübde, die
gar nicht gehalten werden können? Erziehen die Konfirmationsgelübde zu Rückgrat oder zu Selbstbetrug, Heuchelei und Oberflächlichkeit? Hat Jesus jemals ein einziges Gelübde
verlangt?
2. Menschenvergötterung
Ist Menschenvergötterung christlich? Mancher Mensch dient andern zum Guten und bringt dabei manches Opfer. Dafür möchte ich ihm dankbar sein; aber wieso ihn vergöttern? Er
ist und bleibt doch ein Mensch. Freilich – die Angehörigen der Qouz-Familie zollen manchen eine hohe Achtung und empfinden für manche eine große Sympathie; wir sind uns aber bewußt,
daß auch diese Menschen Schattenseiten haben, von denen wir derzeit nicht alle kennen.
3. Hierarchiedenken
Ist Hierarchiedenken christlich? Es ist nicht verkehrt, zu Menschen aufzuschauen; Jesus hat das auch getan. Aber ein Satz ist nicht deshalb wahr, wenn und weil ihn ein möglichst
hochrangiger Würdenträger sagt, sondern wenn und weil der Satz wahr ist. Und wenn ein Würdenträger irrt, dann irrt er; kein Mensch kann von sich behaupten, sie oder er sei die
Wahrheit. Ist aber Hierarchie mit Herrschaft verwandt? Oder wäre sie dem Dienen angehörig? Ist aber die christliche Lehre eine Lehre vom Herrschen oder vom Dienen?
4. rücksichtsloser Umgang mit der Schöpfung
Ist rücksichtsloser Umgang mit der Schöpfung christlich?
Erfülle ich das 5. Gebot und das 7. Gebot, wenn ich durch meine Habgier und Bequemlichkeit anderen Menschen deren Leben verkürze und Gesundheit und Freude raube?
Ist es glaubwürdig, wenn ich von einem neuen Himmel und einer neuen Erde predige, während ich bereits mit der gegenwärtigen Erde Raubbau treibe? Wer will in einen solchen neuen Himmel, in
dem diese Rücksichtslosigkeit weiterhin ihre Ellenbogen gebraucht?
5. Ellenbogenegoismus
Ist Ellenbogenegoismus christlich? Ist es wirklich christlich, mit meinen Ellenbogen andere aus einer Gemeinde zu drängen, nur damit ich einen möglichst privilegierten Platz erobere?
Oder damit ich als Seelsorger weniger Menschen zu betreuen habe?
6. Ausgrenzung nach dem Geschlecht
Ist es christlich, Menschen wegen ihres Geschlechts vom Dienen auszuschließen? War Hanna eine schweigende Prophetin? Phöbe eine untätige Diakonisse? Freilich – mit herrschaftsgeilen Frauen hätte ich ähnliche Probleme wie mit herrschaftsgeilen Männern. Und mir ist auch
bewußt, daß wir nicht in einer heilen Welt leben und daß es für weibliche Geistliche besondere Gefahren geben kann.
7. Wir wissen heute –
Ist es christlich, Glauben und Wissen zu verwechseln? Was wissen wir Menschen wirklich? Gut, es mag Vorstellungen geben, die wahrscheinlicher sind denn andere; aber wo gibt es
für uns Menschen eine 100%ige Wahrscheinlichkeit, so daß wir berechtigt sagen können: Ich weiß? Wenn ich aber etwas nicht weiß, wie kann ich da von andern einen bedingungslosen Glauben
fordern? Freilich – wenn ich unter einem christlichen Glauben das vertrauensvolle Zuwenden zu Gott und das helfende Zuwenden zum Nächsten verstehe, dann kann ich zu diesem Glauben
raten; aber kann ich ihn von andern Menschen fordern?
8. Der Baum des Lebens – der Baum der Erkenntnis
Wollte Jesus Christus belehren? Oder wollte er beleben? Gibt es eine Auferstehung vom Tode durch Erkenntnis oder durch neues Leben?
9. die einzige Arche
Nicht wenige Geistliche predigen im Namen Gottes, ihre Kirche wäre die einzige Arche, die Gottes Hafen rechtzeitig und heil erreiche. Und was wird dann dort aus ihr? Ein Museum?
Bis jetzt habe ich noch kein Kirchenbuch gesehen, in dem Gott seinen Beitritt erklärt hätte; auch für den historischen Jesus Christus habe ich dazu noch keinen Beleg gefunden. Ich
glaube aber, daß Gott allen Menschen helfen will; wie wo und wann er das tut, kann ihm kein Mensch vorschreiben. Selbst wenn Gott
bestimmte Menschen auserwählt, tut er dies nicht ausgrenzend, sondern für bestimmte Aufgaben und Aufträge und – zum Segen für alle
Menschen. Christen behaupten gerne, sie seien der geistige Samen Abrahams (vgl Galater 3:29); aber dann
müssen sie auch Gottes Verheißung an Abraham akzeptieren: In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden (vgl 1. Mose 12:3). Darf da irgendein Kirchenherrscher Menschen von Gottes Gaben ausschließen? Gibt es irgendwo einen
Beleg, daß Jesus das Vaterunser ausschließlich getaufte Christen gelehrt hat? Gibt es irgendwo einen Beleg, daß die ersten Christen Abendmahl nur mit getauften Christen gefeiert
haben? Gibt es irgendwo einen Beleg, daß Jesus oder die ersten Christen die Taufe von einem Bekenntnis zu einer bestimmten Kirche abhängig gemacht hätten? Wie dürften da heutige
Christen ausgrenzen? Nach Einkommen, Kirchgeld, sozialer Herkunft, Mobilität, sexueller Orientierung, aufgedeckten Sünden, Nachrede? Christlich wäre das jedenfalls nicht! Ich
gönne es jedem, wenn er sich in seiner Kirche wohl fühlt, aber bisher konnte es mir niemand beweisen, daß alleine diese Kirche das einzige „Verkehrsmittel“ ist, das zu Gott führt.
Wohlgemerkt, ich glaube nicht, daß Gott aus allen Konfessionen oder Kirchen nur die „Besten“ sammle; denn das wäre kein Himmel, sondern eine Hölle; sondern ich glaube, daß Gottes
Liebe meine Vorstellungskraft bei weitem übersteigt und daß kein Mensch diese Liebe einschränken darf und kann.
10. Irrtum
Gibt es eine Veränderung zum Guten ohne Irrtum? Ändere ich meine Ansichten, so muß ich daraus schließen: Entweder habe ich mich vorher geirrt, oder ich irre mich jetzt, oder ich irre mich
sogar erneut. Bitte erwarten Sie von mir also keine irrtumsfreien Erkenntnisse; eigentlich müßte ich hinter jede meiner Aussagen stets ein Fragezeichen setzen und statt des Indikativs
immer den Konjunktiv verwenden. Deshalb trete ich auch nie im Namen Gottes auf und möchte ihn niemals für meine Irrtümer vereinnahmen.
11. Augenhöhe
Ich finde das so schön, wenn die Evangelisten von Jesu erzählen: Er setzte sich (sogar zur Bergpredigt, vgl Matthäus 5:1; oder am
Gotteskasten, vgl Markus 12: 41; am Jakobsbrunnen, vgl Johannes 4:6; oder bei der des einseitigen Ehebruchs Beschuldigten, vgl Johannes
8:2) oder: Da hob Jesus seine Augen auf und sah. Dagegen wird in vielen christlichen Kirchen anders gepredigt: nämlich von
oben hinab. Ich hab’ die Erfahrung gemacht: Immer, wenn ich auf andere Menschen hinabsehe, mache ich was falsch. Ich weiß, damit gebe ich zu, daß ich’s noch immer mache, aber mein
Ziel ist dieses Beibehalten nicht.
12. kein Wächteramt
Es gibt leider viel zu viele Geistliche, die wähnen, Gott habe sie zum Wächter berufen und ihre Hauptaufgabe bestehe darin, andere zu warnen, zu ermahnen und zu bedrohen (vgl Hesekiel 3:17-21). Bei Jesu muß mir eine solche Berufung irgendwie entgangen sein, und ich empfinde: Sein Evangelium geht anders. Ein Vater, der seinem
Sohn entgegenläuft! Ein Hirte, der auch dem verlorenen Schaf nachgeht, bis er’s findet, und es wieder zurückträgt! Ein Lamm, das die Sünde aller Menschen trägt. Und so fühle
auch ich mich nicht zum Wächter berufen, aber dazu, Menschen zum Guten Mut zu machen, immer. Wer also meine Hilfe sucht für eine Anklageschrift oder eine Verurteilung, dem muß ich diese
Hilfe versagen; wer aber versuchen möchte, sich und andere Menschen zu verstehen, dem möchte ich gerne helfen, – soweit ich’s kann.
13. Allein die Schrift?
Mancher wähnte schon, ein Martin Luther zu sein, weil er sich alleine auf die Bibel berufen hat. Die Prämissen für
diese Einschätzung werden jedoch gerne verschwiegen. Wurden bis zu ihrer Verschriftlichung Geschichten und Zitate ausschließlich durch unfehlbare Engel überliefert? Geschah
anschließend die Niederschrift ausschließlich durch unfehlbare Engel, die obendrein eindeutiger menschlicher Schriftzeichen kundig waren? Haben dann unfehlbare Engel die
Originalhandschriften in andere Sprachen übertragen, sogar mit neuen Wörtern und bisher unbekannten Redewendungen? Haben unfehlbare Engel den Kanon der biblischen Schriften
festgelegt? Haben unfehlbare Engel dafür gesorgt, daß jedes Wort in der Bibel in jeder Sprache, an jedem Ort und zu jeder Zeit gleich und eindeutig verstanden wurde und wird? Haben
unfehlbare Engel das babylonische Sprachengewirr zu verantworten, das die heutige wissenschaftliche Übersetzungskultur prägt? Ich denke, Sie ahnen meine Antworten auf diese Fragen.
Zusammenfassend ist meine These gewiß kein Wagnis: keine Überlieferung ohne menschliche Auswahl und Ergänzung; keine Übersetzung ohne vorherige menschliche Auslegung. Vermutlich täte
dies auch D. Martin Luther bestätigen, den sein Doktorhut ja zur Wahrheit verpflichtet.
Für mich ist die Bibel kein einschnürendes Korsett, sondern eine Chance. Und statt herumzurätseln, was mir der „Autor“ mit diesem oder jenem seiner Worte sagen
wolle, frage ich mich: Was gibt die Bibel mir? Und ich bestätige gerne: viel und immer wieder neu – wie eine Quelle. Aber dieses Quellwasser enthält auch menschliche Mineralien, und
kann von keinem menschlichen Becher ausgeschöpft werden.
Bibelstellen, die sich nicht auf Gottes Liebe und Barmherzigkeit reimen, stelle ich zurück – als mir unbegreiflich. Ja, ich gebe zu: Bei biblischen Texten frage ich
mich: Was ist typisch Gott? Und dazu finde ich sogar in den Apokryphen positive Antworten, im anerkannten Kanon zuweilen keine.
3.3 Wurzeln der Ausbildung
Ich durfte in einer Zeit studieren, in der es noch möglich war, über den Tellerrand zu schauen und Schätze aus mehreren Fachbereichen miteinander zu verbinden. Im Fach Geographie lernte ich
das Sehen, in den Fächern Rechtswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre das systematische und strategische Denken und Verbote nicht zu Geboten einzuengen; in der Volkswirtschaftslehre,
Ressourcen nicht zu vergeuden, im Fach Geschichte, Überlieferungen nicht mit Wahrheit zu verwechseln, in der Literaturwissenschaft, nach Schätzen zu graben und meine Muttersprache zu lieben, und
im Fach Erwachsenenpädagogik kam ich zum lebenslangen Lernen, der Kunst des Fragens und dazu, eine Mindestdistanz zu Menschen einzuhalten.
Auf meine beiden Hochschulabschlüsse bin ich nicht stolz; denn das Lampenfieber vor den Prüfungen ist mir in Erinnerung geblieben.
Auch in andere Gebiete, z. B. Musik und Kunst, bin ich eingedrungen; aber ein Wissenschaftler bin ich nie geworden, sondern nur ein Dilettant
geblieben.
Ein Erlebnis hat mich sehr geprägt, obwohl ich gerade sehe, daß es meine Erinnerung doch etwas angereichert hat. Wir hatten eine Hausarbeit über Michael ENDEs Momo zu schreiben, wo vielfältige Bezüge zur christlichen Religion zu entdecken waren. Da ich die Bibel
schon mehrmals gelesen hatte, ging mir die Arbeit gut von der Hand und brachte mir Lob ein. Doch gegen Ende der Arbeit beging ich den unverzeihlichen Fehler, mit subjektiven Einschätzungen
zu schließen. Der Herr Professor war entsetzt! Und damit ging meine Arbeitskraft der Wissenschaft endgültig verloren; denn seit jener Zeit ist mir bewußt: Alles sogenannte
„Objektive“ über ein literarisches Werk ist nie vollkommen wahr, sondern durch des „Wissenschaftlers“ Grenzen und Perspektiven subjektiv geprägt; aber über das, was mir ein literarisches
Werk gibt, kann ich wahrheitsgemäß berichten. Da diese Einsicht viele „Wissenschaftler“ brotlos machen täte, wird sie sich auf Erden niemals durchsetzen; und es wird weiter
„wissenschaftlich“ getäuscht und gelogen werden.
3.4 Wurzeln der beruflichen Karriere
Eine berufliche Karriere habe ich nicht gemacht. Weshalb nicht?
Ursprünglich wollte ich mein Brot damit verdienen, internationale Unternehmen bei ihren weltweiten Investitionen zu beraten. Aber qualitativ gut hätte ich das nie
von meinem Schreibtisch aus tun können, sondern ich hätte viel reisen und mich lange im Ausland aufhalten müssen. Zum Glück für meine potentiellen Kunden habe ich keine besonderen
Fremdsprachenbegabungen und will mein Erdenleben beschließen, ohne je mit einem Flugzeug gereist zu sein.
Aber ich träumte als Student dennoch davon, eines Tages in den hohen Bürotürmen der Großstädte zu arbeiten. Es kamen jedoch dann Tage, an denen ich in
Hauptverwaltungen solchen „hohen Tieren“ gegenübersaß, die bereits dort arbeiteten. Sie schilderten mir ihre Erfolge, und ich sah den Preis, den sie dafür bezahlen mußten. Und
allmählich dämmerte es mir, daß es das nicht wert war; mir jedenfalls nicht.
So wurde ich Gelegenheitsarbeiter: Lektor für wissenschaftliches Unterrichtsmaterial, Dozent in der Erwachsenenbildung, Berater für kleine Unternehmen und einige
Politiker sowie sogar Buchhalter.
Materielle Reichtümer habe ich damit nicht angehäuft, aber ich lernte dabei viele Menschen kennen, auch benachteiligte und verachtete, und daß diese oft wertvoller sind
denn Menschen mit hohem Ansehen.
2013 habe ich eine zertifizierte Fortbildung zum ehrenamtlichen rechtlichen Betreuer abgeschlossen, bin aber auf diesem Gebiet
dennoch nicht tätig geworden, weil ich’s nicht für eine dankbare Aufgabe halte.
3.5 Rotlicht-Wurzeln
Mehr als 50% meiner Jugendzeit habe ich im Rotlichtmilieu gewohnt. Ich bin dort zwar nie Kunde geworden, aber dafür kann ich nichts. Erstens hatte ich für so etwas kein Geld, zweitens
halte ich es für keine besondere Auszeichnung, für solche Dienste Geld zu bezahlen, und drittens gab es Menschen, denen ich anderenfalls Kummer bereitet hätte. Ich bin somit kein besserer
Mensch, sondern nur besser dran.
Ich sah Damen abends stolz zu ihrer Arbeit gehen, und ich hörte, wie sie am frühen Morgen wie Tiere zur Haustür krochen. Ich sah erblühende Mädchen kommen, und ich
sah alternde Frauen haltlos versinken und sich selbst nicht mehr achten können.
Ich sah Kunden gierig lungern und verachtet und verachtend wieder gehen, gierig wiederkommen etc.
In dieser Zeit öffnete mir TOLSTOI die Augen, daß es Prostitution nicht nur im Rotlichtmilieu gibt, sondern auch in der Ehe. Es
gibt sie auch am Arbeitsplatz und als Linsengericht für gesellschaftliche, wissenschaftliche und künstlerische Anerkennung. Als Spielregeln gelten Lug und Trug, auch in der Gestalt von
Selbstbetrug, oft aufrechterhalten durch Drogen.
Wer hilft diesen Menschen? Wer blickt sie an ohne Habgier, aber mit Achtung; mit Achtung nicht für ihre Prostitution, sondern für das, was auch in ihnen
göttlich ist und was sie sein könnten? Wer macht ihnen Mut, zu ihrer Vergangenheit zu stehen und deshalb sich selber soweit achten zu können, daß sie der Anerkennung von Scheinheiligen
nicht bedürfen? Wer hilft ihnen, Mitschuld zu verzeihen?
Eine Antwort darauf hätte ich wohl nur im persönlichen Gespräch finden können, aber das erschien mir für zu gefährlich. Also interessierte ich mich für solche
Damen, deren Lebensläufe öffentlich zugänglich sind; zumal Prostitution vor einer Kamera anscheinend offiziell nicht als Prostitution gilt, sondern allenfalls als Pornographie oder sogar
als Schauspielkunst. Naiv dachte ich damals, ich hätte es mit einer überschaubaren Anzahl von Menschen zu tun; doch die Zahl der Frauen, die hier arbeiten, ist wohl unzählbar.
Und wieder sah ich Lug und Trug, auch in der Gestalt von Selbstbetrug, oft aufrechterhalten durch Drogen. Hier werden Menschen regelrecht verheizt, als wären sie
Material. Von vielen gibt es noch nicht einmal Photos, die sie als Menschen mit Würde zeigen. Und selbst wenn diese Damen mit diesem Geschäft nichts mehr zu tun haben wollen oder
gestorben sind, wird herabwürdigendes Bildmaterial mit ihnen weiter „verwertet“.
Nun, was lernte ich als Voyeur in diesem Milieu?
Menschen nicht zu verdammen, aber auch, daß ich Grenzen habe. Für viele kann ich gar kein konkretes Mitgefühl entwickeln, weil ich keinen Zugang zu ihrem Leben
finde. Und ich frage oft: Lieber Gott, wie machst du das, damit es wahr ist, wenn ich wie ein Kind singe:
„... kennt auch dich
und hat dich dennoch lieb“?
Und ich kann auch meine Augen nicht davor verschließen, daß auch ein Voyeur an solchen Verbrechen wider die Menschlichkeit mitschuldig ist, selbst wenn er dafür niemals Geld bezahlt hat.
3.6 Wurzeln ehrenamtlicher Tätigkeit
Bis 2019 habe ich über 10 Jahre lang Seniorinnen und Senioren besucht. Nicht zu jedem habe ich Zugang gefunden,
aber irgendwie scheinen doch etliche gespürt zu haben, daß sie mir sympathisch sind und sie mit mir über alles reden können: Erfolge, Anerkennungen, aber auch über das, was in ihrem Leben nicht
so gut gelaufen ist, über Mitschuld, Benachteiligung sowie über Sorgen und Ängste. Und wenn ich mich auf mein Sterbelager lege, werde ich für diese Aufgaben wohl besonders dankbar
sein.
3.7 Folgende (relevanten) Angebote habe ich erbracht:
1993-2019 Bildvorträge über Hessen
1993-2019 Literaturlesungen / literarische Schnitzeljagd
2008-2019 Besuchsdienst für Seniorinnen und Senioren
ab 2008 Kalenderblatt (vgl Projekt → KalenderQouz)
2010-2021 geistliche Lieder singen und erläutern
2010-2021 ökumenische Gesprächskreise (auch für Nichtchristen)
3.8 Stärken und Schwächen
Ich bin Mensch – mit Stärken sowie mit Schwächen und mit Grenzen. Auch ich bin noch nicht so, wie Sie und ich sein könnten.
Mitmenschen schätzen meine Zuverlässigkeit und sagen mir sogar Freundlichkeit nach; anscheinend ahnen sie nicht, welch ein mißgelaunter Morgenmuffel ich an trüben
Tagen sein kann. Mit mir könnten sie über alles reden, sagen sie und vergessen dabei, daß ich auch schon mal beim Zuhören eingenickt bin.
Ich mag Menschen, bin aber nicht everybody’s darling; zu manchen finde ich leider keinen Zugang und scheide von ihnen wie Uncle
Toby von der Fliege (vgl Laurence STERNE: The Life and Opinions of Tristram
Shandy, vol. 2, chapt. 12, = vol 3, chapt. 4).
Große Schwierigkeiten habe ich mit Menschen, denen Wahrheit nicht wichtig ist oder die Vergötterung fordern oder sinnlos Zeit stehlen.
Ich bin wohl ein bißchen Autist und halte eine gewisse Mindestdistanz zu Menschen, lasse mich nicht vereinnahmen, umarmen oder beschmatzen, erst recht nicht von Menschen,
die ein Messer im Ärmel haben.
Ich habe spontane Vorurteile, die erst durch längeres Überlegen abgebaut werden können oder wenn ich die Schuhe des andern anprobiere.
Selbstironie verdeckt nur meine allzu empfindliche Eitelkeit, die mir noch immer wie ein Schatten auf dem Fuße folgt. Dennoch mag ich konstruktive Kritik, denn sie
hat mich manches verbessern lassen; ich weiß aber, daß es selbst der liebe Gott nicht allen recht machen kann.
Ich finde Halt in Prinzipien und nehme es übel, wenn mich jemand zu etwas drängen will, was gegen sie verstößt.
Ich sage eher nein denn ja.
Pferde stehlen können Sie mit mir nicht.
Umweltbewußtes Handeln ist mir wichtiger denn umweltbewußtes Schwätzen.